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Die Entwicklung des Landschulwesens in der Grafschaft Hanau von der Reformation bis 1736

Veröffentlichung in der FAZ – Rhein-Main-Zeitung vom  04.11.2011 (Seite 60):

“Kinder müssen lernen, und das tun sie vor allem in der Schule.

Das galt schon vor 400 Jahren in der Grafschaft Hanau. Das Schulwesen damals war anders organisiert als heute und folgte anderen Grundsätzen. Ein Blick auf das Landschulwesen verrät daher viel über Geschichte und Leben vergangener Zeiten. Peter Gbiorczyk, bis 1982 in Bruchköbel als Pfarrer tätig und bis 2005 Dekan des Kirchenkreises Hanau-Land, hat die Kirchen- und Gemeindearchive erforscht und einen Band vorgelegt, der die Schulgeschichte von rund 20 Gemeinden des Altkreises Hanau von der Zeit der Reformation bis zum Übergang der Grafschaft Hanau an die Landgrafschaft Hessen-Kassel im Jahr 1736 aufzeigt. Beschrieben werden unter anderem die Wechselwirkungen zwischen kirchlicher und weltlicher Gemeinde, wie der Unterricht gestaltet war und wie Lernen und Leben vom 16. bis 18. Jahrhundert geprägt waren.

Historischer Mittelpunkt ist die Reformation. Für die Reformatoren, so der Autor, war es wichtig, dass auch die Menschen in Dörfern wie Windecken oder Kesselstadt und nicht nur “städtische Eliten” lesen und schreiben lernten. Der Landesherr setzte die Kirchengemeinden als Schulträger ein. Die örtliche Dienstaufsicht über Schulmeister und -frauen, die es damals schon gab, Ungebührliches vor Schülerinnen Schulwesen im Kreis Hanau übernahmen meist die Pfarrer. Doch auch für die Zeit vor der Reformation findet Gbiorczyk Hinweise auf die Existenz von Schulen. Für die Stadt Hanau gibt es eine Urkunde von 1432, in der ein „Kindermeister” erwähnt wird, der wahrscheinlich an einer Lateinschule lehrte. Oft bemühen sich die Pfarrer, einen passenden Lehrer für den Lateinunterricht zu finden. Sicher sei es, dass man sich schon vor der Reformation in einigen größeren Ortschaften der Grafschaft bemühte, Schüler auf die Hohen Schulen und die Universitäten vorzubereiten. Gbiorczyk beschreibt, dass es vom 13. Jahrhundert an auch in Dörfern erste Pfarreischulen gab, in denen das Vaterunser und Gesänge für Gottesdienste eingeübt wurden. Außerdem gab es dem Autor zufolge schon im Spätmittelalter in Hanau oder Windecken Schulen, die den „Bildungsbedürfnissen der Kaufleute, Handwerker und Gewerbetreibenden” entsprachen. Seien die Dorfschulen mit dem Erlernen von Lesen und Schreiben stark auf den christlichen Glauben und die gottesdienstliche Praxis ausgerichtet gewesen, sei in städtischen Schulen verstärkt Rechnen, Buchführung und Sprachen gelehrt worden. Eines sei den Schulen auf dem Lande und in der Stadt aber gemein gewesen: Sie durften gleichermaßen von Jungen und Mädchen besucht werden.

Die von Gbiorczyk ausgewerteten Archivalien zeichnen mehr als ein von Daten und Fakten geprägtes Bild der Schulgeschichte, sie beschreiben auch das dahinter stehende Leben. So wird von der in Schande entlassenen Schulfrau Susanna Maria Krämer berichtet, die 1674 an der Mädchenschule der reformierten Gemeinde Windecken unterrichtete. Sie hatte mehrfach in Gegenwart der Kinder “ungebührliche und ärgerliche reden getrieben.” Der Autor deutet ihr Verhalten als eine Art frühen Sexualunterricht. Manch anderer Schulmeister soll es mit dem Alkohol nicht so genau genommen haben.”

Veröffentlichung im Magazin zum Wochenende vom  17.09.2011 (Seite 7):

Veröffentlichung in der Mitarbeiterzeitschrift der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck, Blick in die Kirche 6/2012 (S. 23):